Sonntag, 1. März 2020

Wirkliche Götter benötigen keine Missionare

Stell Dir vor Du wärest eine allmächtige und allwissende Gottheit, die überall zugleich - sprich: an jedem möglichen Ort des Universums zu jeder beliebigen Femtosekunde seiner Existenz - existiert (etwa so wie das "Dunkle Zeugs", das Wissenschaftler erfanden, um ihre Formeln weiterhin beibehalten zu können). Stell Dir weiter vor, Du hättest auf einer bereits vorhandenen quadratischen Erdscheibe erst das Licht (1.Mose 1:3), danach eine Atmosphäre geschaffen (1.Mose 1:7), um anschließend Land und Meer voneinander zu trennen (1.Mose 1:9), und an den vier Ecken Engel postiert (Offenbarung 7.1), auf dass keiner der Geschöpften fliehen oder über eine der Kanten fallen und verloren gehen könne. Stell Dir vor, dass Du nach dieser Vorbereitung Gras, Kräuter und Bäume (1.Mose 1:11), Sonne, Mond und Sterne (1.Mose 1:14), Fische und Vögel (1.Mose 1:20), Tiere und Gewürm (1.Mose 1:24) und schlussendlich einen Menschen-Mann und eine Menschen-Frau (1.Mose 1:26) geschaffen hättest, um letzteren das ganze Zeug dann zum "Beherrschen" zu übergeben.

Sicherlich sind da einige Punkte der kausalen Kette etwas durcheinander geraten - das Erdquadrat samt Wasser und Atmosphäre existiert vor dem Universum, Pflanzen sind vor dem Leben im Wasser da, obwohl das Leben im Wasser entstand, Vögel sind vor den Tieren und dem Gewürm da, von dem sich doch so viele Vogelarten ernähren, und eine Spezies, die nur aus zwei Exemplaren besteht, dürfte wegen der zwangsläufigen Inzucht ihrer Kinder und Kindeskinder relativ schnell aussterben. Da Du als allwissende Gottheit bereits vor der Umsetzung Deiner Gedanken in die Tat wusstest, zu was Du die Menschen schlussendlich zwingst, verdammtest Du sie mit Deinem Befehl "Mehret euch und seid fruchtbar!" also vorsätzlich zur Inzucht. Soviel zum Thema Unschuld der Schöpfung...

Nachdem Du das alles erschöpft hattest, warst Du wohl so geschlaucht, dass Du das Werden und Vergehen großer Zivilisationen (Aborigines, Göbekli Tepe, Fikirtepe, Mesopotamien, Ägypten, Indien, China) offensichtlich komplett verschlafen hattest, um nach dem Erwachen dann in hektischer Torschlusspanik ausgerechnet das schwächste Nomadenvölkchen im Philisterland (Palästina) mit Deiner Aufmerksamkeit zu beglücken, das Mal um Mal von der jeweils dominierenden Großmacht des fruchtbaren Halbmondes erobert und unterjocht wurde - Ägypter, Philister, Hethiter, Assyrer, Babylonier, Perser, Griechen und Römer gaben sich bei der Eroberung dieser winzigen Region buchstäblich die Klinke in die Hand. Ausgerechnet dieses gerade sesshaft gewordene Nomadenvölkchen wähltest Du also 297.500 Jahre nach Erschöpfung der ersten zwei Menschen aus, Dein "Wort" niederzuschreiben. Hast Du gar abgewartet, bis die Hautfarbe der Menschen etwas heller geworden war? An einer weiträumigen Verbreitung Deines "Wortes" hattest Du ja offensichtlich wenig bis gar kein Interesse, sonst hättest Du locker noch den Aufstieg der (noch hellhäutigeren!) Römer zur Supermacht abwarten können - auf die windigen 500 Jährchen wäre es knapp 300.000 Jahre nach der Erschöpfung der ersten Menschen nun auch nicht mehr angekommen.

Was mich allerdings wirklich verblüfft: Wofür braucht eine Gottheit wie Du, die doch angeblich alles weiß und zudem überall zugleich ist, menschliche Sprachrohre, die ihr "Wort" in drei voneinander abweichenden Versionen - Judaismus, Christentum und Islam - zeitlich um jeweils rund 600 Jahre versetzt verkündigen? Wäre es nicht wesentlich effektiver und weit weniger fehleranfällig, alle Lebewesen auf diesem Planeten synchron in Deinem Sinne zu programmieren, oder zumindest allen zugleich Dein "Wort" zu vermitteln, um Fehler in der Übermittlung desselben auszuschließen? Wozu also der Umweg über Dritte, die im besten aller Fälle die eine Hälfte des übermittelten Inhalts vergessen, und die andere Hälfte nur fehlerhaft (siehe Schöpfungsreihenfolge!) wiedergeben? Bist Du gar weniger allmächtig, allwissend und allgegenwärtig, als jene uns weiszumachen versuchten, die vorgaben, Dein Sprachrohr zu sein?

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