Dienstag, 25. Juni 2019

Theodizee - wie man sich böse Gottheiten schönredet...

Der folgende Text ist mein Kommentar zu diesem YuoTube-Video. Bislang hat die Theologie-Studentin, die den Kanal betreibt, es nicht für nötig befunden, auf meine in den Kommentaren ihres Videos gepostete Kritik einzugehen. {Nachtrag vom 18.05.2020: Inzwischen ist das Video "privat", und somit nicht mehr öffentlich abrufbar. So kann man sich auch vor einer Antwort drücken...} Auf ihr Video stieß ich über den YouTube-Kanal von Ungläubiger!!!, der eine sehenswerte Sammlung solcher Faktenchecks erstellt hat.

[03:54 - 03:58] "...Gott hat die Welt geschaffen, deswegen ist die Welt ein Geschöpf..." Ungeachtet der Frage, wie Du diese Behauptung physikalisch herzuleiten gedenkst (etwas, das bislang noch niemandem gelungen ist), hat sich das aktuelle Wissen zum Thema "Entstehung des Universums" wohl erfolgreich an Dir vorbeigeschlichen. Zudem gibst Du nicht das wieder, was wirklich in der Bibel steht, sondern erfindest Deinen eigenen Schöpfungsmythos - was wirklich "geschrieben steht" findest Du in Genesis 1.1 - 2.4:

Genesis 1
Genesis 2

Wer dort nachliest, kann dem Text eigentlich nur entnehmen, dass "Gott" sich all jener Dinge bedient hat, die er beim Schweben über dem Erdklumpen bereits vorfand. "Die Himmel" stehen auch nicht für das gesamte Universum, sondern nur für den Deckel über der quadratischen Erdscheibe, an dem die Wolken aufgehängt sind. Dieses "Weltmodell" war der aktuelle Stand des Wissens im Babylon des 6. Jahrhunderts vor der Zeitrechnung, wo die Urfassung der Tora (aka "die fünf Bücher Mose") entstand. Anmerkung am Rande: Leblose Gegenstände wie Erdscheiben sind keine Lebewesen. Demnach ist die Bezeichnung "Geschöpf" für die Erdscheibe falsch, da "Geschöpf" in der deutschen Sprache nur für Lebewesen verwendet wird - passend wäre "Bau" oder "Werkstück" für unbelebte Dinge wie Erdscheiben oder Tempel.

[04:29 - 04:34] Wie kommst Du auf die Idee, dass eine unendliche Menge "Gott" in ein endliches Behältnis passt? Egal, wie auch immer dieser "Gott" physikalisch beschaffen sein mag: "Er" ist weder unendlich, noch ist das Universum endlich. Das Universum - das Behältnis, in dem all das stattfindet, was wir beobachten können - ist ein dimensionsloses Nichts (und daher unendlich!), während die vorhandene Energie eine extrem große, aber trotz alledem endliche Menge "Etwas" ist. Eine unendliche Menge "Etwas" würde das gesamte Universum komplett ausfüllen, da zu jedem vorstellbaren Teilchen noch einmal unendlich viele Teilchen hinzukämen. Exakt aus diesem Grund kann etwas Unendliches nicht in einen endlichen Behälter passen - nur anders herum funktioniert das wirklich. Auch wenn Du Dir Unendlichkeit nicht vorstellen kannst, solltest Du daraus nicht schließen, dass alle anderen Menschen ebensowenig Phantasie haben...

[04:35 - 13:06] Ungeachtet dessen, in wie viele Spielarten Du "Leid" auch aufteilen magst - Du unterschlägst in Deiner Ausführung die zwei entscheidenden Eigenschaften, die den abrahamitischen Gottheiten (Jehova, Gott, Allah, Jesus, Heiliger Geist) zugeschrieben werden: Ihre Allwissenheit und ihre Allgegenwärtigkeit (das, was Du wahrscheinlich mit "Unendlichkeit" verwechselt hast). Das heißt, dass diese Gottheit immer weiß, was an allen x-beliebigen Punkten des Universums zusammen gerade passiert, und sie zudem aufgrund ihrer Omnipräsenz an jedem x-beliebigen Ort des Universums gleichzeitig anwesend ist (wobei das eine aus dem anderen folgt - wer überall zugleich ist, muss auch alles zugleich registrieren). Auf die physikalische Wahrscheinlichkeit metaphysischer "Eigenschaften" sollten wir zu Deinen Gunsten lieber nicht eingehen.

Wer eine Gottheit anbetet, die dank ihrer Omnipräsenz simultan jedem ihrer Produkte live bei der Verübung von Gräueltaten oder dem Verrichten friedvollerer Betätigungen zuschaut (exakt das behauptet die Bibel!), ohne dem Täter mit ihren omnipotenten Extremitäten auf die Finger zu klopfen, oder ihrer Produktpalette nach derart gravierenden Mängeln zumindest einen Bugfix aufzuspielen, obwohl ihr als allwissender Entität so ein Griff ins Katzenklo eigentlich gar nicht hätte passieren dürfen, und das Erstellen und Aufspielen eines Bugfixes für eine omni-alles Entität ein Klacks sein sollte, muss schon reichlich schmerzfrei sein, wenn er/sie/es versucht, das mit "Theodizees" schönzureden. Wie auch im richtigen Leben greift hier die Herstellerhaftung: Wer Geschöpfe produziert und in Umlauf bringt, ist auch mit allen Konsequenzen für deren korrekte Funktion verantwortlich.

"Theodizees" sind letztendlich nur der Versuch, Bergen-Belsen, die Gulags oder Guantamo Bay zu rechtfertigen, indem man das Leid der Opfer auf eine metaphysische Ebene verlagert, in der sie den Schmerz der Folter oder das langsame Ersticken dann (rein hypothetisch!) nicht mehr spüren. Auch der Verweis auf den viel zitierten "freien Willen" hat ein Geschmäckle. Wozu benötigten Konstrukte einer allmächtigen, allwissenden und allgegenwärtigen Gottheit einen "freien Willen"? Aufgrund ihrer Allwissenheit kennt sie die Resultate sämtlicher Versuchsreihen, die vom Anfang bis zum Ende aller Zeiten jemals durchgeführt wurden/werden ohnehin schon, womit Experimente mit Versuchsobjekten sich erübrigen. Baut sie uns nur als Spielzeuge zum Zeitvertreib, verstößt sie gegen ihre eigenen moralischen Regeln. Ergo gibt es keinen Grund für eine Gottheit, die alles kann, alles weiß und überall zugleich ist, überhaupt etwas zu tun, ausser in sich selbst zu ruhen und "die Seele baumeln zu lassen". Was auch immer sie tun könnte, hat sie schon Milliarden Mal nicht getan, da sie das Ergebnis der Aktion schon vor dem Beginn kannte - da wird selbst das Erschaffen von Lebewesen schon langweilig, bevor man es in die Tat umsetzt...

Genau das ist meines Erachtens der beste Ansatz, sich über die Bibel Gedanken zu machen. Die Autoren der Tora hatten nicht viel mehr als die babylonischen Keilschrifttafeln, die den Wissensstand ihrer Zeit vermittelten. Ihr "Gott" konnte daher nur die damaligen, nicht aber die heutigen Erkenntnisse haben. Heute lebende Menschen haben aber eine wesentlich umfassendere Bildung und wissen genau, dass die Erde keine quadratische Scheibe mit Engeln an den vier Ecken ist - warum "glauben" sie das dann plötzlich, wenn es in einem "heiligen" Buch steht? Sie wissen genau, dass "das Licht" von der Sonne kommt, die wesentlich früher als die Erde entstand - warum "glauben" sie dann plötzlich einem "heiligen" Buch, in dem geschrieben steht, dass die Sonne erst nach der Erde als deren "Beleuchtung" erschaffen wurde?

Langer Rede kurzer Sinn: Wie können vernunftbegabte Wesen gesichertes Wissen bewusst ausblenden, um an Dinge "glauben" zu können, die vor 2600 Jahren einmal Stand der Dinge waren? Niemand käme heute auf die Idee, mit einer tiefen Fleischwunde im Oberschenkel zum örtlichen Schamanen zu humpeln, um ein bisschen Räucherharz einzuatmen und die Wunde "besprechen" zu lassen, statt in eine Klinik zu fahren - warum "glauben" wir dann angeblich "heiligen" Büchern, in denen nachweislich falsche Dinge stehen?

Zum Schluß eine kleine Frage am Rande: Wie macht "ES" bei euch den Sinn - mit Zwiebeln und Speck oder eher als Süßspeise?